Die erste Begegnung
- Chantal Kunz
In der Routine schenken wir dem Vorgang, das Pferd aus der Box zu holen, oft zu wenig Aufmerksamkeit. Doch diese erste Begegnung des Tages mit dem anderen Lebewesen ist ein wichtiger Moment und kann die folgenden Stunden wie auch das ganze Miteinander stark beeinflussen.
Pferde sind sehr feinfühlige Wesen und spüren unsere Gefühle sofort, manchmal schon bevor wir uns deren bewusst sind. Deshalb zählen bereits die ersten Sekunden, in denen wir uns mit dem Pferd beschäftigen. Wer mürrisch in den Stall kommt, strahlt dies aus. Die Körperhaltung ist ganz anders als die eines gut gelaunten Menschen. Deshalb tut es manchmal gut, vor dem Betreten des Stalls durchzuatmen oder sogar noch eine Runde zu gehen, bevor man sich dem Pferd nähert. So geht man offen und möglichst neutral auf das Pferd zu.
Begrüssung
Doch auch wenn wir gut gelaunt sind, wartet das Pferd nicht immer schon sehnsüchtig an der Boxentüre auf uns. So ist es ein grosser Unterschied, ob es uns den Kopf oder das Hinterteil zuwendet. Wenn sich das Pferd nicht einfach so holen lassen will und sich abwendet, kommt man selber nirgends gut zu dessen Kopf. Man muss immer nah an den Hinterbeinen des Pferdes vorbei oder sich zwischen Pferd und Wand durchquetschen. Beide Varianten sind nicht ungefährlich, geschweige denn angenehm für Pferd und Mensch. Denn aus Pferdeaugen gesehen wird es so bedräng: es ist eingepfercht zwischen vier wenden und kann nicht weichen. Also wäre der richtige Weg, das Pferd dazu zu bringen, sich einem zuzuwenden.
Vorgehen
Am besten geht man in einer solchen Situation wie folgt vor:
- Das Pferd beim Herantreten an die Box ansprechen
- Boxentüre öffnen
- Pferd auffordern, sich einem zuzuwenden. Dies kann man gut mit der Stimme und der eigenen Körperhaltung tun, nicht aber mit Futter.
- Folgt das Pferd der Aufforderung: loben und Halfter anziehen.
- Reagiert das Pferd nicht: Strick etwa in der Hälfte in die Hand nehmen und leicht in Richtung Kruppe schwingen. Achtung, hier sanft beginnen und nur energischer werden, wenn das Pferd nicht reagiert. Die andere Hand/der andere Arm lädt das Pferd ein. Sie ist also ganz locker, bzw. leicht nach aussen gedreht. Diese Körpersignale sagen: «Komm mit dem Kopf zu mir, dreh die Kruppe weg von mir.»
- Sobald das Pferd ein kleinster Weise reagiert, sollte der Druck und die Signalgebung sofort aufhören.
- Kommt das Pferd, soll es mit der Stimme und mit Streicheleinheiten gelobt werden.
Wenn man dieses Vorgehen täglich umsetzt, wird es zur Routine für beide Parteien. Das Pferd wird schon bald wissen, dass es eingeladen wird, den Menschen freundlich zu begrüssen und es dann gelobt wird. Nach dieser beidseits freundlichen Begrüssung kann das gemeinsame Arbeiten beginnen.